Bewältigen und zunächst keine Fehler machen
Öffentliche Sitzung vom 4. März 2025. Erklärung der Regierung mit anschließender Debatte gemäß Artikel 50-1 der Verfassung zur Lage in der Ukraine und zur Sicherheit in Europa. Beitrag von Claude MALHURET, Vorsitzender der Fraktion Les Indépendants – République et Territoires. Quelle : Senat, Paris.
Washington ist zum Hof Neros geworden, mit einem zündelnden Kaiser, umgeben von unterwürfigen Höflingen und einem mit Ketamin vollgepumpten Narren, der mit der Säuberung des öffentlichen Dienstes beauftragt ist… Noch nie in der Geschichte hat ein Präsident der Vereinigten Staaten vor dem Feind kapituliert. Noch nie hat ein Präsident einen Angreifer gegen einen Verbündeten unterstützt; noch nie die amerikanische Verfassung mit Füßen getreten, so viele illegale Dekrete erlassen, Richter abgesetzt, die ihn daran hindern könnten: noch nie hat ein Präsident auf einen Schlag die obersten Militärs entlassen, alle Gegenkräfte geschwächt und die Kontrolle über die sozialen Netzwerke übernommen. Das ist keine illiberale Entgleisung, sondern der Beginn der Beschlagnahmung der Demokratie…

Wir waren im Krieg gegen einen Diktator, jetzt kämpfen wir gegen einen Diktator, der von einem Verräter unterstützt wird… Die Rede des Senators Claude Malhuret ging in Europa und auf der anderen Seite des Atlantiks viral und wurde von CNN, Sky News, aber auch von Fox News ausgestrahlt. Ein Video, das in sozialen Netzwerken und auf X geteilt, in mehrere Sprachen übersetzt und auf You Tube von 500 00 Menschen gesehen wurde. Bescheiden antwortet der französische Senator: „Ich denke, die Amerikaner würden sich wünschen, dasselbe von ihren gewählten Vertretern zu hören“.
Quelle : Fr. Senat — Paris, den 4.März 2025 — aus dem Französischen von Tobias Kampmann —
Inhaltstabelle
- Herr Präsident,
- Herr Premierminister,
- sehr geehrte Damen und Herren Minister,
- Meine lieben Kollegen,
Europa befindet sich an einem kritischen Wendepunkt seiner Geschichte. Der amerikanische Schutzschild weicht, die Ukraine droht im Stich gelassen zu werden, Russland wird gestärkt.

Washington ist zum Hof Neros geworden, mit einem zündelnden Kaiser, umgeben von unterwürfigen Höflingen und einem mit Ketamin vollgepumpten Narren, der mit der Säuberung des öffentlichen Dienstes beauftragt ist.

Es ist ein Drama für die freie Welt, aber vor allem ist es ein Drama für die Vereinigten Staaten. Trumps Botschaft lautet, dass es keinen Sinn hat, sein Verbündeter zu sein, da er Dich nicht verteidigen wird, Dich mit mehr Zöllen belegen wird als seine Feinde und damit droht, sich Deine Territorien einzuverleiben, während er die Diktaturen unterstützt, die in Dein Land eindringen.
Der König des Deals zeigt gerade, wie die Kunst des Deals in Kriecherei und Unterwürfigkeit funktioniert… Er glaubt, China einschüchtern zu können, indem er sich vor Putin in den Staub wirft, aber Xi Jinping beschleunigt angesichts einer solchen Kapitulation zweifellos die Vorbereitungen für die Invasion Taiwans.

Noch nie in der Geschichte hat ein Präsident der Vereinigten Staaten vor dem Feind kapituliert. Noch nie hat ein Präsident einen Angreifer gegen einen Verbündeten unterstützt; noch nie die amerikanische Verfassung mit Füßen getreten, so viele illegale Dekrete erlassen, Richter abgesetzt, die ihn daran hindern könnten: noch nie hat ein Präsident auf einen Schlag die obersten Militärs entlassen, alle Gegenkräfte geschwächt und die Kontrolle über die sozialen Netzwerke übernommen.
Das ist kein illiberales Abdriften, sondern der Beginn einer Demontage der Demokratie. Erinnern wir uns daran, dass es nur einen Monat, drei Wochen und zwei Tage dauerte, um die Weimarer Republik und ihre Verfassung zu stürzen.
Ich habe Vertrauen in die Stärke der amerikanischen Demokratie, und das Land protestiert bereits. Aber in einem Monat hat Trump Amerika mehr geschadet als in den vier Jahren seiner letzten Präsidentschaft.
Wir waren im Krieg gegen einen Diktator, jetzt kämpfen wir gegen einen Diktator, der von einem Verräter unterstützt wird.
Vor acht Tagen, genau in dem Moment, als Trump Macron im Weißen Haus die Hand auf den Rücken legte, stimmten die Vereinigten Staaten bei den Vereinten Nationen mit Russland und Nordkorea gegen die Europäer, die den Abzug der russischen Truppen forderten.

Zwei Tage später erteilte der Kriegsdienstverweigerer im Oval Office dem Kriegshelden Zelensky moralische und strategische Lektionen, bevor er ihn wie einen Stallburschen entließ und ihm befahl, sich zu unterwerfen oder zurückzutreten.
In dieser Nacht ging er noch einen Schritt weiter in die Niedertracht, indem er die bereits zugesagten Waffenlieferungen stoppte.
Was tun angesichts dieses Verrats? Die Antwort ist einfach: sich ihm entgegenstellen.
Und zunächst sich nicht beirren lassen: Die Niederlage der Ukraine wäre die Niederlage Europas. Die Baltischen Staaten, Georgien, Moldawien stehen bereits auf der Liste. Putins Ziel ist die Wiederherstellung von Jalta, als Stalin die Hälfte des Kontinents überlassen wurde.

Die Länder des Südens warten auf den Ausgang des Konflikts, um zu entscheiden, ob sie Europa weiterhin respektieren sollen oder ob sie nun frei sind, es mit Füßen zu treten.
Was Putin will, ist das Ende der Ordnung, die die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten vor 80 Jahren errichtet haben, die unter dem vorrangigen Grundsatz stand, dass es verboten ist, Gebiete mit Gewalt zu erobern.
Diese Idee ist die eigentliche Quelle der UNO, wo die Amerikaner heute für den Aggressor und gegen den Angegriffenen stimmen, weil Trumps Vision mit der von Putin übereinstimmt: einer Rückkehr zu den Einflusssphären, in denen die Großmächte über das Schicksal der kleinen Länder bestimmen.
Mir gehören Grönland, Panama und Kanada, dir die Ukraine, die baltischen Staaten und Osteuropa, ihm Taiwan und das Chinesische Meer.
Das nennt man in den Abendgesellschaften der golfspielenden Oligarchen von Mar-a-Lago „diplomatischen Realismus“.
Wir sind also auf uns allein gestellt.
Aber die Behauptung, man könne Putin nicht widerstehen, ist falsch. Entgegen der Propaganda des Kremls geht es Russland schlecht. In drei Jahren hat die mutmaßlich zweitgrößte Armee der Welt nur Krümel von einem Land erbeutet, das nur ein Drittel so bevölkerungsreich ist.
Zinssätze von 25 %, der Zusammenbruch der Devisen- und Goldreserven, der demografische Kollaps zeigen, dass Russland am Abgrund steht. Der amerikanische Schubs zu Gunsten Putins ist der größte strategische Fehler, der jemals in einem Krieg begangen wurde.
Der Schock ist heftig, aber er hat einen Vorzug. Die Europäer können die Wirklichkeit nicht länger leugnen. Sie haben an einem Tag in München verstanden, dass das Überleben der Ukraine und die Zukunft Europas in ihren Händen liegen und dass es für sie drei Herausforderungen gibt, denen sie sich stellen müssen: ,
Die militärische Hilfe für die Ukraine beschleunigen, um das amerikanische Abseitsstehen auszugleichen, damit sie durchhält, und natürlich, um die ukrainische Präsenz und die Europas bei allen Verhandlungen durchzusetzen.
Das wird teuer werden. Es muss Schluss gemacht werden mit dem Tabu, eingefrorene russische Vermögenswerte zu verwenden. Die Komplizen Moskaus innerhalb Europas müssen umgangen werden durch eine Koalition der Willigen, natürlich einschließlich des Vereinigten Königreichs.
Zweitens muss verlangt werden, dass jedes Abkommen mit der Rückkehr entführter Kinder und Gefangener sowie mit wasserdichten Sicherheitsgarantien einhergeht. Nach Budapest, Georgien und Minsk wissen wir, was Abkommen mit Putin wert sind. Diese Garantien erfordern eine ausreichende militärische Präsenz, um eine erneute Invasion zu verhindern.
Schließlich, und das ist das Dringendste, weil es am längsten dauern wird, sollte die europäische Verteidigung aufgebaut werden, die seit 1945 zugunsten des amerikanischen Schutzschilds kurzsichtig und seit dem Fall der Berliner Mauer sträflich vernachlässigt wurde.

Es ist eine Herkulesaufgabe, aber daran, ob sie erfolgreich oder erfolglos ist, werden die Führer des heutigen demokratischen Europas in den Geschichtsbüchern gemessen werden.
Friedrich Merz hat gerade erklärt, dass Europa ein eigenes Militärbündnis braucht. Damit wird anerkannt, dass Frankreich seit Jahrzehnten Recht hatte, als es für strategische Autonomie plädierte.
Dieses europäische Bündnis muss von Grund auf neu gebaut werden. Es müssen massive Investitionen getätigt werden, der Europäische Verteidigungsfonds muss über die Maastricht-Schuldenkriterien hinaus gestärkt werden, die Waffensysteme und Munition müssen harmonisiert werden, der Beitritt der Ukraine, die heute die größte europäische Armee ist, zur Union muss beschleunigt werden, die Rolle und die Bedingungen der nuklearen Abschreckung müssen ausgehend von den französischen und britischen Kapazitäten überdacht werden, die Raketenabwehr- und Satellitenprogramme müssen wiederbelebt werden.
Der gestern von Ursula von der Leyen angekündigte Plan ist ein sehr guter Ausgangspunkt. Und es wird noch viel mehr nötig sein.
Europa wird nur dann wieder eine Militärmacht werden, wenn es wieder eine Industriemacht wird. Kurz gesagt, der Draghi-Bericht muss umgesetzt werden. Und zwar richtig.

Aber die wahre Wiederbewaffnung Europas ist seine geistig-moralische Wiederbewaffnung.
Wir müssen die Öffentlichkeit angesichts der Kriegsmüdigkeit und der Angst vor dem Krieg und vor allem angesichts der Komplizen Putins, der extremen Rechten und der extremen Linken, überzeugen.
Diese Parteien haben gestern noch in der Nationalversammlung, Herr Premierminister, vor Ihnen gegen die europäische Einheit, gegen die europäische Verteidigung plädiert.
Sie sagen, sie wollen Frieden. Was weder sie noch Trump sagen, ist, dass ihr Frieden die Kapitulation ist, der Frieden der Niederlage, die Ersetzung der de Gaulle-Gestalt Zelensky durch einen ukrainischen Pétain unter dem Stiefel Putins.
Die Aufgabe unserer Generation ist es, den Totalitarismus des 21. Jahrhunderts zu besiegen.
Das ist der Frieden der Kollaborateure, die den Ukrainern seit drei Jahren jede Hilfe verweigert haben. Ist dies das Ende der Atlantischen Allianz? Das Risiko ist tatsächlich groß. Aber seit einigen Tagen haben die öffentliche Demütigung Zelenskys und all die verrückten Entscheidungen, die seit einem Monat getroffen wurden, die Amerikaner schließlich zum Reagieren gebracht.

Die Umfragen sind im Sinkflug. Die republikanischen Abgeordneten werden in ihren Wahlkreisen von feindseligen Menschenmengen empfangen. Sogar Fox News wird kritisch.
Die Trumpisten glänzen nicht nicht mehr in voller Pracht. Sie kontrollieren zwar die Exekutive, das Parlament, den Obersten Gerichtshof und die sozialen Netzwerke.
Aber in der amerikanischen Geschichte haben die Verfechter der Freiheit immer gesiegt. Sie beginnen, ihr Haupt zu heben.
Das Schicksal der Ukraine entscheidet sich in den Schützengräben, aber es hängt auch von denen ab, die in den Vereinigten Staaten die Demokratie verteidigen wollen; und bei uns von unserer Fähigkeit, die Europäer zuzsammen zu bringen, Mittel für ihre gemeinsame Verteidigung zu finden und Europa wieder zu der Macht zu machen, die es einst in der Geschichte war und zu der es nur zögerlich scheint zurückkehren zu wollen .
Unsere Eltern haben Faschismus und Kommunismus unter großen Opfern besiegt.
Die Aufgabe unserer Generation ist es, den Totalitarismus des 21. Jahrhunderts zu besiegen.
Es lebe die freie Ukraine, es lebe das demokratische Europa.
Siehe auch :
- « Faire face. Et d’abord ne pas se tromper… (FR) — 2025-0304) —
- Washington has become Nero’s court… (EN) — 2025-0304) —
- « La guerre se rapproche et nos alliés s’éloignent, quel est le plan ?» — 2025-0219 —