Dezinformatsia

Seit fast nunmehr 30 Jahren befürchtet die öffentliche Meinung im Westen einen dritten weltweiten Konflikt, der diesmal -weil massiv Nuklearwaffen eingesetzt würden – apokalyptische Ausmaße an­ nehmen würde. Was wir in der Tat aber bereits erleben, ist ein hinterhaltiger, heimtückischer Krieg, der von den meisten unserer Mit­bürger erst gar nicht wahrgenommen wird. Dieser Krieg wird von ei­nem Feind geführt, der sich je nach Bedarf des Umsturzes, der Un­terwanderung, der Spionage, des Terrorismus und der Desinformation bedient. Dieser Feind hat eine Taktik entworfen, Techniken entwik­ kelt und immer raffiniertere Methoden verwendet, die einzig darauf zielen, in die Schwachstellen unseres demokratischen Systems einzu­ dringen, um es zu lähmen. Und das allein in der Absicht, die welt­ weite Vorherrschaft eines totalitaren Systems zu verankern – eines Systems, dessen erklarte Strategie ist, weltweit einen psycho-poli­tischen Krieg zu führen, den die marxistische Terminologie als « in­ternationalen Klassenkampf » bezeichnet.

Quelle : Vortrag von Joël-François Dumont auf der 4. Konferenz zur deutschen Wiedervereinigung, die von Bundeskanzler Helmut Kohl am 20. Oktober 1985 im Reichstagsgebäude in Berlin veranstaltet wurde. Das Thema lautete: « Deutschland, unsere Zukunft. Sind wir auf dem richtigen Weg, um die Spaltung unseres Landes zu überwinden?[1]

Wenn man nun Ost und West vergleicht, fallt als erstes die sehr große gesellschaftspolitische und kulturelle Asymetrie ins Auge, die zwischen den total verschiedenen Systemen besteht. Wir im Westen haben das Glück, in einer offenen Gesellschaft zu leben, die sich dadurch auszeichnet, daß sie über einen Zugang zur Information verfügt, Meinutigsfreiheit und Widerspruchsgeist kennt, den freien Verkehr von Menschen und Ideen er­ mëglicht und unaufhërlich auch das freie Unternehmertum weiterentwik­ kelt, was andererseits aber staatliche Eingriffe nicht ausschließt. Wir leben in demokratischen, durch Wahlen legitimierten Staaten, in denen alle bedeutsamen Entscheidungen – seien sie nun politischer, wirtschaft­ licher, sozialer oder kultureller, ja sogar militarischer Natur – Gegen­ stand einer langen Diskussion sind, in der der grëBte gemeinsame Nenner, sprich Konsens, gesucht wird.

Unsere Regierungen im Westen werden durch Parlamente kontrolliert mit Parteien, deren Pluralismus nicht nur durch die Verfassung garantiert ist. Keine unserer Regierungen kann es sich erlauben, die öffentliche Meinung und ihre Wirklichen, ja selbst überflüßigen Bedürfnisse außer Acht zu lassen oder auf die ernstgemeinten Sehnsüchte ihrer Bevölkerung nicht einzugehen.

Welch ein Unterschied gegenüber dem Osten. Dort sehen wir uns – mit ei­ner Ausnahme, der Jugoslawiens – einem hermetisch abgeschlossenen System gegenüber, das sich von der übrigen Welt – wie hier in Berlin – durch Betonmauern und Stacheldraht abschottet und die Bewegungsfreiheit seiner Bürger unterbindet. Ein System, das nur eine Wahrheit kennt und in dem das Informationswesen zentralisiert ist, in dem der öffentlichen Meinung ein Maulkorb umgehangt ist, in dem die Einheitspartei ihre Macht schran­kenlos in allen Bereichen ausübt. Dies dank eines gewaltigen Staatsappa­rates, der über die Mittel verfügt, alle Bereich des ôffentlichen Lebens

– den wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und natürlich den politi­schen – zu beeinflussen, zu organisieren und zu kontrollieren.

Gemeinsam ist den totalitaren Regimen nicht nur,  daß sie die Schwachen der westlichen Demokratien analysieren, sondern auch,  daß sie die Spra­che und ihre Worte als Waffen einsetzen.

Schon Josef Goebbels schrieb im « Jahrbuch der Deutschen Sprache 1941 » daß die Sprache heutzutage eine Waffe sei. Wer das Talent, das Goebbels in diesem Bereich entfaltete, nicht kennt, sollte einmal die Protokolle der « Geheimen Konferenzen im Reichspropagandaministerium » nachlesen.

Diese Methode haben die Sowjets bereits nach der Machtübernahme durch Lenin praktiziert und über Stalin bis in unsere Tage zu immer neuen Ho­hepunkten entwickelt.

Josef Goebbels, Reichsminister für Volks-aufklärung und Propaganda (1933) – Photo Heinrich Hoffmann (Bundesarchiv)

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Bevor ich nun zu meinem eigentlichen Thema komme, mochte ich noch auf eine Untersuchung aufmerksam machen von Dieter Faulheit und Gudrun Kühn über die « Sprache des Arbeiters im Klassenkampf », die 1974 in Ost-Berlin erschienen ist. Dieser Band beschreibt ganz genau die Rolle der Sprache als Waffe im Klassenkampf und im ideologischen Konflikt, einer Auseinan­ dersetzung, in der sich beide Systeme unversohnlich gegenüberstehen.

Die kommunistische Propaganda beflügelt alle Aktionen des sowjetischen Systems und hierbei besonders die psycho-politische Strategie dieses Sy­stems, das vor allem auf der Propagierung des Marxismus-Leninismus be­ruht und dessen Aktionen, gleich ob sie sich in Worten oder Taten außern, nichts als Propaganda sind, wobei als Waffe die Dialektik dient.

Nehmen wir zum Beispiel die Leitartikel der Prawda. Wir entdecken hier die reine Staatspropaganda mit ihren zwei Gesichtern: Information und Desinformation. Offensichtlich hat das Wort Information hier seinen stark­sten Sinn, das heißt, bestimmte Wendungen in die weiche Hirnmasse des Geg­ners zu pflanzen, und Desinofrmation, was eine Erganzung ist und bedeutet, die Gedanken des Gegners in eine bestimmte beabsichtigte Richtung zu len­ken.[2]

Dieser doppelte Aspekt ist in der Tat die Grundlage für eine totale Strategie, deren standiges Ziel es ist, der leninistisch-marxistischen Wahrheit mit allen Mitteln zum Siege zu verhelfen. Diese Mittel konnen psycho-politischer, aber auch diplomatischer, wirtschaftlicher, finan­zieller, wissenschaftlicher, technologischer und möglicherweise auch militarischer Natur sein. Auf jeden Fall sollen sie verhindern,  daß der Feind in der Lage ist, als erster zu den Waffen zu greifen.

Die Invasion in Afghanistan wie das bewaffnete Eingreifen in Ungarn oder der Tschechoslowakei werden als « ‘brüderliche Hilfe » dargestellt. Ganz zu schweigen von der Unterstützung der sogenannten Befreiungsbewegungen oder der Militarhilfe für Regime in Asien, Afrika oder Mittelamerika, die wie Dominosteine ins sowjetische Lager gefallen sind.

Die sogenannte « Suche und Herstellung des Friedens » sind in Wahrheit nichts anderes als das Schüren eines subversiven Kampfes im Interesse der marxistisch-leninistischen Ideologie. Die vom Osten gebrauchten Wörter haben ihren ursprünglichen Sinn verloren und sind in ihrer Bedeutung korrumpiert durch eine Dialektik, vor der unsere Mitbürger ratlos stehen. Und wenn man seltsamerweise diese holzerne Sprache zu übersetzen versucht, stellt man fest,  daß ein Wort, nachdem es seines Sinns entleert ist, eine genau entgegengesetzte Bedeutung angenommen hat.

Die Heiligung des Wortes zu strategischen Zwecken, die Sprachenregelung, eine normative Sinngebung unter der Kontrolle der Partei, können von einem Beobachter, wie Michel Makinsky schreibt, nur mit Hilfe besonderer Werk­ zeuge entschlüsselt werden. Auch wenn die Sowjets in diesem Bereich den psycho-politischen Krieg nicht erfunden haben, so haben sie doch moderne Techniken entwickelt, die genau auf das Eindringen in unser System abgestimmt sind, eine Taktik, die in der Lage ist, die Funktionstüchtigkeit dieses Systems zu stören, wenn nicht zu lähmen, und letztlich Methoden, die dazu geführt haben, daß in den letzten 30 Jahren rund 20 Lander im Rahmen begrenzter geografischer Auseinandersetzungen in das kommunisti­sche Lager übergewechselt sind.

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Sun Tzu, chinesischer General aus dem VIᵉ Jahrhundert v. Chr., beherrschte die Militärwissenschaft des alten China und schuf die Militärdoktrin der asymmetrischen Kriegsführung

Der große Vorlaüfer, der Zaubermeister auf diesem Gebiet,war ohne Zwei­fel, fünfhundert Jahre vor unserer Zeitrechnung, der chinesische Stratege Sun-Tzu, der die Interaktionen zwischen dem Krieg und der Strategie auf der einen und der Politik und der Psychologie auf der anderen entdeckt hatte.

In seinem Werk Ping-Fa (Die Kunst des Krieges) schreibt er unter anderem: « Die höchste Kunst besteht darin, den Widerstand des Feindes zu besiegen, ohne auf das Schlachtfeld zu gehen. Nur auf dem Schlachtfeld ist die direkte Kriegsführung notwendig, aber nur die in­ direkte führt zu einem wirklichen und dauernden Sieg. Unterwandere al­les, was im feindlichen Land gut ist. Bring die Angehërigen der herrschenden Klassen durcheinander durch ruchlose Unternehmungen. Wende je­des Mittel an, um ihre Stellung und ihren Stand zu unterminieren. Liefe­re sie in den Augen ihrer Mitmenschen der öffentlichen Schande aus. Mach von jedem Mittel Gebrauch, um die Arbeit der Regierung zu stören. Sae Zwietracht zwischen die Bürger des feindlichen Landes. Spare kein Mit­tel, um die Ausrüstung, Versorgung und Disziplin der feindlichen Trup­pen zu zerstëren, setze die alten Brauche und Getter ab! Sei großzügig mit Versprechungen und Geschenken, um Informationen und Helfershelfer zu kaufen! Setz deine Spione an, wo immer du kannst! »

Vladimir Lenin (1920) by 
Pavel Zhukov

Diese Gedanken hat Lenin seit 1917 berücksichtigt, indem er erklarte,  daß die Kommunisten bereit sein müBten, die Wahrheit zu leugnen und zu ver­ schleiern, um die gegnerischen Reihen leichter erschüttern, zerstëren und ihre Strukturen vom Erdball fegen zu kënnen.

In einer kürzlich verfaBten geheimen Studie hat der General Laurent, der Militarattaché in der Sowjetunion war, geschrieben,  daß « der Gegner be­strebt ist, ein verzeichnetes Bild seiner eigenen Wirklichkeit zu geben, indem er systematisch die beiden Hebel der Enttauschung handhabt: das Geheimnis und die Lüge, die Verschleierung und die Vortauschung »…[3]

Vladimir Lenin — Pavel Zhukov Foto

In jedem Augenblick ist also die Wahrheit von der Lüge zu unterscheiden, indem man dem Einleuchtenden, dem Wahrscheinlichen miBtraut und im Rah­ men des Mëglichen nur den Fakten selbst vertraut und nicht der uns übli­cherweise mitgelieferten Interpretation.

Wenn sich die oft grobschlachtige Propaganda besonders an die breite Masse wendet, richtet sich die Desinformation an die Entscheidungstra­ger, die Intellektuellen, die Verantwortlichen, um bei genau jenen Sto­ rungen zu bewirken, die die Macht in den Handen halten.

Wie John Barron in seinem bemerkenswerten Buch „KGB“ hervorhebt, unterscheiden sich gelenkte Maßnahmen zur Feh1information von konventioneller Propaganda dadurch, daß man ihre wahren Hintergründe verheimlicht und daß in der Regel irgendwelche geheimdienstlichen Aktionen mit ihnen verbunden sind. Aus diesem Grund haben die sowjetischen Führer stets ihren Geheimdienst mit der Verantwortlichkeit für gezielte Falschmeldungen betraut.[4]

Den Begriff ..Desinformation.. selbst gibt es seit 1917. In dem kleinen politischen Worterbuch von 1978 ist die « Desinformation » als eine « pro­vokatorische, lügnerische Information.. beschrieben, die als Wahrheit prasentiert wird, um die offentliche Meinung in die Irre zu leiten. Sie wird von der bürgerlichen Presse, von Rundfunk und Fernsehen und ande­ ren Massenmedien angewandt, für die sie die bevorzugte Waffe antikommu­ nistischer Kampagnen und Verleumdungen gegenüber den sozialistischen Landern ist…»

Ein Bericht, der 1980 dem amerikanischen Kongreß vorgelegt wurde, zi­tierte auszugsweise aus einem Handbuch der KGB-Agenten folgende Passa­ge: « Die strategische Desinformation ist ein nützliches Instrument bei der Ausführung von staatlichen Operationen. Sie hat zum Ziel, den Feind über die grundsatzlichen politischen wirtschaftlichen, technischen und wissenschaftlichen Entscheidungen der Sowjetunion zu tauschen wie auch über das Verhalten gegenüber bestimmten imperialistischen im Bereich der bilateralen Beziehungen oder im Verhaltnis zu Drittlandern…»[5]

Desinformatia: Aktive MaBnahmen der sowjetischen Strategie

Die Desinformation bezieht sich auch auf die besonderen Aktivitaten der staatlichen Sicherheitsorgane bei der Spionageabwehr.

Seit Beginn der dreißiger Jahre haben die sowjetischen Nachrichtendien­ste auch die Aufgaben übernommen, die ihnen von der Komintern zugefallen sind. Das heißt: Spionage, Spionageabwehr, Einmischung, Desinformation, Einschleusung, Terrorismus und Subversion. Einige Experten glau­ben, daß innerhalb dieser aufgaben die Desinformation mit zu den wich­ tigsten zahlt.

Entgegen mancher Meinung spielt der Terrorismus dagegen nur eine unter­ geordnete Rolle. Die Subversion ist ein langfristig angelegtes Unter­ nehmen, wahrend die Desinformation sofortige Auswirkungen hat. Sie ver­wirrt die Geister, schwacht das Negativimage der Spionage, macht sich die Erfolge des Terrorismus zunutze und läßt die Gefahren der Subver­sion vergessen.

Durch das Oberwechseln einiger Verantwortlicher des tschechischen und sowjetischen Geheimdienstes in den Westen sind vor einigen Jahren der Aufbau und die Verwendung der Geheimdiensttechniken, wie sie die Sow­jetunion in einem nicht erklärten Krieg verwendet, entschlüsselt wor­den.

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Professor Richard H. Shultz Photo

Das bislang einzige Buch zum Thema « Desinformation » und « Aktive Maßnahmen » stammt von zwei renommierten außenpolitischen Forschern, den ame­rikanischen Wissenschaftlern Richard H. Shultz und Roy Godson. Sie be­schreiben die « heimliche Desinformation » im Gegensatz zur offiziellen Propaganda als « eine Form schriftlicher oder mündlicher Mitteilung, de­ ren Ursprung entweder unbekannt oder falschlicherweise einem Dritten zu­ geschrieben wird. Sie enthalt bewußt ungenaue, verstümmelte oder trüge­rische Informationen, die oft mit authentischen Elementen vermischt sind -mit dem Ziel, zu tauschen und zu verschleiern und die Zielscheibe zu verwischen » … « Die heimliche Desinformation ist im allgemeinen Gegenstand eines gezielten Einsatzes, der sorgfaltig ausgewahlten Zielen dient ». Da­zu kann diese Technik sich falscher Gerüchte oder der Verbreitung ge­fälschter Dokumente, politischer Manipulationen oder des Einsatzes von « Einflußagenten » der Massenorganisationen oder eines anderen Mittels be­ dienen. Ziel der Desinformation ist es, den Gegner von der Wahrhaftigkeit der präsentierten Informationen zu überzeugen und ihn in einer Richtung handeln zu lassen, die im Interesse der agierenden Nation liegt.[6]

Die Experten scheinen sich einig zu sein,  daß – selbst wenn der Inhalt einiger Propaganda-Themen sich notwendigerweise geändert hat, weil er den Umständen angepaßt wurde – die bevorzugten permanenten Ziele der offiziellen Propaganda und der heimlichen Desinformation sind unverän­derlich die gleichen. Shultz und Godson unterscheiden folgende sechs Ziele:

– 1. die offentliche Meinung in den USA, Europa und in der restli­chen Welt beeinflüßen, um glaubhaft zu machen,  daß die amerikanische Politik für zahlreiche Konflikte und die weltweite Krise verantwortlich ist.

– 2. den aggressiven, militaristischen und imperialistischen Charak­ter der USA zeigen.

– 3. einen Keil treiben zwischen die USA und ihre Freunde und Verbündeten (besonders innerhalb der NATO) und die Staaten an­ schwärzen, die mit ihnen zusammenarbeiten.

– 4. die militarischen und Sicherheitsorgane der USA und der NATO diskreditieren.

– 5. zeigen,  daß die Politik und die Ziele der USA unvereinbar mit denen der Entwicklungsländer sind.

– 6. die Weltmeinung über den wirklichen Charakter der internationa­len Ziele der Sowjetunion hinwegtauschen, indem sie ein für ihre Außenpolitik günstiges Klima schafft.

Die Sowjetunion kann also vollig ungestraft den Charakter und die Zie­le ihrer Außenpolitik verdrehen und verschleiern. Was schlimm ist,  daß die Techniken der sogenannten « aktiven Maßnahmen » auf Zustimmung stoßen können, wobei gleichzeitig die Oppositions- und organisierten Widerstandskräfte geschwacht werden. Noch schlimmer: diese Desinformation mißbraucht die öffentliche Meinung der westlichen Staaten, wobei sie die führenden Kreise beeinflußt und in den Entscheidungszentren einen Kurzschluß verursacht und bei der Gelegenheit die Menschen oder Organi­sationen in Mißkredit bringt, deren Aktivitäten als schadlich für die sowjetische Sache eingestuft werden.

Das Drama in all dem ist,  daß die Desinformation erst hinterher aufge­deckt wird – was ein Parieren kaum moglich macht.

Die Organisation der Desinformation

Wie nun wird diese « Desinformation » in Szene gesetzt? Wenn erst einmal die größen Ziele formuliert sind, passiert folgendes: eine Quelle (in der Regel der KGB) übermittelt über Kanale Informationen in Richtung auf ein Ziel mittels Vektoren, die in der Regel vorher ausgewählte menschliche Wesen sind.

Lubyanka-Building_KGB-by-Marco-Rubino.jpg
Lubyanka (KGB Zentrale — Foto Marco Rubino

Die benutzten Materialien sind meistens gefälschte Dokumente, die gleichzeitig authentisch erscheinen.

Diese verdeckte Aktion zielt darauf, emotionale Reaktionen bei Themen auszulösen, die niemand unbeteiligt lassen. Dadurch soll, durch einen Druck im Volke, eine nderung der Politik des betroffenen Landes im ge­wünschten Sinn erreicht werden.

Das Geheimnis und die Lüge

Die Aktivitaten, die gegen die westliche Welt im Schilde geführt wer­den, laßen sich in drei Kategorien einteilen:

1. die sogenannten weißen Operationen, das heißt, die direkte Propa­ganda.

2. die grauen Operationen, das heißt, halb geheim.

3. die schwarzen Operationen, das heißt, streng geheim.

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Die Organisation ist in Moskau zentralisiert, wo das Politbüro der kommunistischen Partei über die zuführende Aktion entscheidet. Um eine Formel von Lenin aufzunehmen: Der Kommunismus ist Organisation plus Ideologie. Persönlich möchte ich hinzufügen: plus das Geheimnis und die Lüge.

Das Sekretariat des Zentralkomitees ist in 22 Abteilungen unterteilt, die sich mit allen « inneren » und « außeren » Aktivitäten des Systems be­schaftigen. Das Ganze ist an die Abteilung für Propaganda angebunden.

22 Abteilungen, zu dem noch die politische Hauptdirektion der Streitkräfte hinzukommt, die bis zu seinem Tod von dem Armeegeneral Yepichev geleitet wurde – eine Direktion, die das Verteidigungsministerium be­ aufsichtigt und das militarische Werkzeug des Systems. Sie spielt die Rolle eines Generalstabs im Rahmen der psychologischen Kriegsführung.

Diese Abteilungen verfügen über zehn Studien- und Analyseinstitute, wie das /des Marxismus-Leninismus, /der Sozialwissenschaften, /der Interna­tionalen Beziehungen (der berühmte IMEMO) oder über Institute, die sich geografischen Zonen widmen (Amerika, Europa, Asien, Indien, China, Japan usw.).

Eine einmal beschlossene Aktion wird von Spezialisten aus 2 der 22 Abteilungen des Zentralkomitees der KPDSU ausgeführt: dem für « Interna­ tionale Angelegenheiten » und dem für « Internationale Informationen », die praktisch die ganze sowjetische Außenpolitik, sei sie nun geheim oder offiziell, überwachen. Das einmal realisierte Konzept, die laufen­ de Operation, wird dann zur Ausführung dem « Service A » des Direktorats Nr. 1 des KGB übertragen, dem Direktorat also, das zustandig ist für Desinformation und Terrorismus. Im Ausland werden dann « offizielle » Diplomaten, Sympathisanten, Einflußagenten oder einfache Spione mit der Ausführung der Befehle beauftragt.

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Dezinformatsia 1

Zu den großen Themen, die sich an das allgemeine Bewußtsein wie auch an die persönliche Verantwortung wenden, gehëren Begriffe wie « Frie­den », « Abrüstung », « Sicherheit » « Dritte Welt », « Neutronenbombe », « Mit­telstreckenraketen » und heute natürlich auch SDI, die Initiative zur Weltraumverteidigung des amerikanischen Prasidenten Reagan.

Es erscheint mir sinnvoll, an dieser Stelle für einen Augenblick zu unterbrechen und etwas näher auf « Organisation an der Front » einzuge­hen, mit deren Finanzierung, Koordinierung und personeller Ausstattung die Internationale Abteilung beauftragt ist. Es handelt sich um ein gu­tes Dutzend von internationalen, offensichtlich noch nicht staatlichen Massenorganisationen, die zum Ziel haben, aktive Maßnahmen zu initiieren innerhalb spezieller Gruppen oder zu bestimmten Themen.

Die wichtigsten dieser Organisationen sind:

1. Der Weltfriedensrat, der seit 1949 in 142 Landern unterschiedli­che Sektionen gegründet hat.

2. Der Weltgewerkschaftsbund (1945 gegründet, mit dem Ziel, die Ein­heit innerhalb der Gewerkschaften zu fordern)

3. Die Organisation der afro-afrikanischen Volkssolidaritat (1957, sowjetisches Eindringen in die Dritte Welt)

4. Der Weltbund der demokratischen Jugend (1945) « WUFDY » (Weltju­gendfestspiele, 276 Sektionen in 123 Landern)

5. Internationaler Studentenbund (1948)

6. Internationales Friedensinstitut (1958) mit Sitz in Wien, Forum für den Dialog zwischen Wissenschaftlern aus Ost und West)

7. Internationaler Journalistenverband (1952) Alle Friedenskampag­nen, Menschenrechte

8. Christliche Friedenskonferenz (1958) Deren Hauptaufgabe ist es, die christliche bzw. theologische Argumentation für die Friedens­ politder UdSSR auszunutzen.

9. FDIF (1945)Internationaler Demokratischer Frauenbund.

10. Internationale Vereinigung demokratischer Juristen (1946).

Man konnte dieser Liste noch ein gutes Dutzend weiterer Organisationen mit sogenannter humanitärer Zielsetzung hinzufügen. Wie zum Beispiel:

– Internationale Liga für Menschenrechte

– Amnesty International

– Ökumenischer Kirchenrat

– Pax Christi

– Katholisches Komitee gegen Hunger und für die Entwicklung

– Nationale Kommissionen für Gerechtigkeit und Frieden.

Und schließlich – last but not least – sollte man als Anlaufstelle der sowjetischen Desinformation nicht die nationalen kommunistischen Parteien vergessen, deren Aktionen koordiniert und finanziert werden von der Abteilung « Verbindungen zu den kommunistischen Parteien nichtkommunistischer Länder ».

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Lenin (ganz vorne links) und andere Delegierte des II. Weltkongresses der Komintern am 19. Juli 1920

An der Spitze der Internationalen Abteilung steht Boris Ponomarev, ehemaliger Komintern-Beauftragter, Sekretar des Zentralkomitees, Kan­ didat des Politbüros und Prasident der Kommission für Auswartige An­ gelegenheiten des Obersten Sowjets.

In Wirklichkeit ist er der große Theoretiker des proletarischen In­ternationalismus und spielt eine nicht weniger wichtige Rolle wie der Außenminister.

Die Internationale Abteilung für Information, ehemals Agitprop-Abtei­lung, ist zustandig für innere und außere Propaganda. Wenn diese Abteilung auch nicht für die Auswahl und Ausarbeitung der Propaganda­ kampagnen zustandig ist, so garantiert sie doch die Wirksamkeit der Programme « Aktive Maßnahmen ».

Geleitet von Leonard Samjatin, ehemals Direktor der Nachrichtenagen­ tur Tass ist diese Abteilung verantwortlich für die Nachrichtenagen­turen und die staatlichen Rundfunkstationen.

Und schließlich innerhalb der Organisationen, die eine wesentliche Rolle spielen, jene Organisationen, deren Aufgabe es ist, die Desin­formationsprogramme auszuführen, der KGB (Komitee für Staatssicherheit), ein Erbe der aufgelösten Tscheka, der die GPU folgte.

Nach Schatzungen des stellv. Direktors für Operationen der CIA, John MacMahon die er am 00. Februar 198U vor dem ständigen parlamentarischen Untersuchungsausschuß über sowjetische geheimdienstliche Aktionen gab, betragen die jährliche Kosten für Propaganda und geheimdienstliche Aktionen im Ausland über 3 Mrd Dollar. Darin nicht enthalten sind die indirekten Kosten der jeweiligen ausländischen kommunistischen Parteien. Nach den Angaben von John MacMahon vor dem Untersuchungsausschuß schlüsseln sich die Kosten wie folgt auf:

Mio $

  • KPdSU Internationale Abteilung: 100
  • KPdSU Internationale Informationsabteilung: 60
  • Tass: 550
  • Novosti (APN): 500
  • Prawda: 250
  • Izwestia: 200
  • Neue Zeit und andere Zeitschriften: 200
  • Radio Moskau Auslandsdienst: 700
  • Presse Abteilungen in sowjetischen Botschaften: 50
  • Geheime Sender: 100
  • Internationale kommunistische Frontorganisationen: 63
  • Finanzierung der aus1andischen KP: 50
  • KGB « Abteilung A“: 50
  • ND-Operationen von Residentura im Aus1and: 100
  • Unterstützung Nationaler Befreiungsfrontorganisationen: 200
  • Spezielle Kampagnen in 1979, inklusiv anti-NATO in Summe: 3 363

In den folgenden zwei Schemen sind zwei Jahre später vor dem gleichen Ausschuß die sowjetischen organisatorischen Strukturen für aktive Maßnahmen (Schema 1) und der sowjetische Apparat in den USA (Schema 2) dargestellt.[7]

Nachfolgend ein Überblick über die sowjetischen und andere östliche Geheimdienste, die für die Desinformation und aktive Maßnahmen verantwortlich sind.

A) Sowjetunion

Das KGB (Komitet Gosudarstwennoy Besopasnosti) = Komitee für Staatssicherheit. Es ist unmöglich, das Sowjetsystem zu verstehen, ohne Kenntnis der Aufgaben und Auftrage des KGB zu haben. Die Macht der Werktätigen wäre nicht aufrechtzuerhalten, würde eine derartige Institution nicht bestehen. Seit der Gründung des bolschewistischen Sicherheitsdienstes und des geheimen Staatsapparates der „Tscheka“ (Wserossiskaja Tschreswitschajnaja Kommissija Po Borbe S Kontrrevolizej I Sabotaschem) am 20. Dezember 1917 wurde die Hauptverwaltung von Petrograd in das Gebäude der ehemaligen allrussischen Versicherungsgesellschaft in Moskau verlegt. Sein erster Chef war bis zu seinem Tode im Jahre 1926 der polnische Aristokrat Felix Edmundowitsch Dserschinski.

Die „Tscheka“ hatte sich schon Anfang 1918 in eine rote Terrororganisation verwandelt, die die Übergangsschwierigkeiten der Revolution und des Bürgerkrieges zu meistern hatte. Mit dem Erlaß vorn 6. Februar 1922 wurde die Tscheka abgeschafft und durch die GPU bzw. OGPU (Vereinte staatliche politische Verwaltung) ersetzt. Ein Jahr nach dem Tode von Stalin wurde am 13. ~1arz 1954 im Zuge einer Reorganisation des bestehenden Sicherheits- und Polizeiapparates das KGB gegründet. Schon beginnend mit der Tscheka hatten alle Nachfolgeorganisationen ein „Desinformationsbüro“

« Schwert und Schild » der KPDSU

Der KGB ist offiziell gleichermaßen « Schwert und Schild » der KPDSU. Verantwortlich für die innere Sicherheit des Staates, die Spionageabwehr und die Auslanderüberwachung ist er ebenso zustandig für die Ge­heimdienstoperationen im Ausland und die offensive Spionage der GRU. Mit seinen 300 000 bis 400 000 Grenzsoldaten ist er außerdem Garant für die Unverletzlichkeit der Grenzen der UdSSR,ohne jedoch hierbei seine besondere Aufgabe zu vergessen, die darin besteht, Terroristen Gruppen und aufrührerische Bewegungen auszubilden und zu unterstützen

– eine Rolle, für die der Service A des ersten Hauptdirektorats zustä­ndig ist, A wie Action directe. All jenen, die sich mit diesem Dienst, der sich von allen anderen unterscheidet, naher beschaftigen wollen, empfehle ich die Lektüre zweier Werke von John Baron, die bis ins Kleinste die Rolle jedes Dienstes und jeder Abteilung erklaren. Das Erste Hauptdirektorat ist zustandig für Spionage und Destabilisierungsaufträge durch die Zerstörung der sozialen Ordnung: die 4. Ab­teilung befaßt sich mit der Bundesrepublik Deutschland.

Die Sonderabteilungen des KGB sowie der Geheimdienste der Tschechos­lowakei (STB), der DDR (MFS), Bulgariens (DS), Kubas (DGI) arbeiten bei den erfolgreichen Operationen « aktiver MaBnahmen » engzusammen… Aktive MaBnahmen, ein Ausdruck, den die Öffentlichkeit kaum kennt, der jedoch für die Sowjetunion ein wesentliches Element seines Eingreifens im Ausland darstellt.

Der Film, den Sie gleich sehen werden, zeigt im einzelnen, was diese aktiven Maßnahmen bedeuten. Aber ich möchte Sie auf russisch definieren (Aktivnye meropryatiya). Sie umfassen eine ganze Serie von Techniken, deren Ziel die Beeinflußung und Einschüchterung ist: einmal die Unterwanderung der Institutionen und das Einnesten in Verbanden und westlichen Parteien. Die Verbreitung von falschen Nachrichten und Gerüchten und das alles nach einem exakten strategischen Plan.

Haupt­ziel ist es, Europa von den Vereinigten Staaten und Frankreich von der Bundesrepublik loszulösen, die öffentliche Meinung zu schockieren, die Vergiftungskampagnen der Meinungsbildner vorbereiten, die im allgemei­nen Sympathisanten sind, und der Einsatz von Einflußagenten. Alle diese Maßnahmen sind an der Spitze des Parteiapparates der KPDSU geplant. Diese wenig bekannten modernen Methoden des politischen Krieges sind laut Shultz und Godson darauf gerichtet, Ereignisse, Verhaltensweisen und Entscheidungen im Ausland zu beeinflussen.

Nach Shapiro sind der Einsatz eines bedeutenden militarischen Potentials ebenso wie die maximale Verwendung von Spionen und Einflußagenten integrierender Bestandteil dessen, was die sowjetische Terminologie schon immer als ideologischen Kampf bezeichnet hat und was man nach wie vor ständig als notwendige Begleiterscheinung der friedli­chen Koexistenz

Diese Darstellung ist im Grunde nur die logische Fortführung der Po­litik Lenins, die darin besteht, den Handel und die normalen diplomatischen Beziehungen einerseits mit Subversion und politischer Kriegsführung andererseits zu kombinieren.

Ich schlage Ihnen jetzt vor, den Film zu sehen und anschließnd mit meinem Kollegen Alain Boos über Einflußagenten zu sprechen, die eine so be­deutende Rolle spielen.

Vielen Dank.

[1]

[2] s. dazu auch die „Index of Soviet-Secrets“ in: „Counterpoint“ Newsletter (Juni 1985), Seite 3.

[3] Revue de Défense Nationale, Paris (Marz 1985).

[4] John Barron, „KGB, Arbeit und Organisation des sowjetischen Geheimdienstes in Ost und West“, Scherz Verlag München (1974).

[5] „Soviet Covert Action“ (the forgery offensive): Hearings before the subcommittee on oversight of the Permanent select committee on Intelligence, House of Representatives, Ninety-sixth Congress, second session (February 6, 19, 1980), U.S. Government Printing office, Washington (1980).

[5] „Dezinformatsia: Active Measures in Soviet Strategy“, Richard H. Shultz und Roy Godson, Pergamon-Brassey’s, Washington (1982).

[6] Soviet Active Measures: Hearings before the Permanent select committee on Intelligence, House of Representatives, Ninety-seventh Congress, second session (Juli 13, 14, 1982).

[7] „KGB heute“, von John Barron, Scherz Verlag, München (1984).

[8]„0perationsgebiet Bundesrepublik“ : Spionage, Sabotage, Subversion“, von Friedrich-Wilhelm Schlomann, Universitas-Verlag, Berlin (1984) und „Counterpoint“ News 1etter (Apri1 1985), Service A, Seite 1.

[9] « GRU. Die Speerspitze », von Viktor Suworoh, Scherz Verlag, München (1985).

[10] « DDR. Die Staatssicherheit » von Karl-Wilhelm Fricke, Verlag Wissenschaft und Politik,